Amerika-Reise 2012

Nach einer langen Zeit der Reisevorbereitung konnte nun der Jumbojet mit Ziel Los Angeles bestiegen werden. Schließlich verlief nach einer technischen Verzögerung der zwölfstündige Flug dann doch reibungslos. Beim Landeanflug konnten sich die Reisenden einen ersten Eindruck über die Dimensionen dieser zweitgrößten Stadt der USA machen, die es mit dem Umland auf geschätzte 12 Millionen Einwohner bringt. Beim Ausstieg bekamen sie einen ersten Vorgeschmack auf die spätsommerlichen Temperaturen, die sie erwarteten. Ermüdet bezogen alle ihre Zimmer im nahen Hotel. Dunkel wurde es bereits gegen 18.30 Uhr. Gut erholt und wieder munter sang der Männerchor am nächsten Morgen mit dem „Pfälzer Sängergruß“ und „Am kühlenden Morgen“ ein erstes Ständchen auf amerikanischem Boden. Die beiden voll klimatisierten Busse samt Durstlöschern an Bord und den, wie sich herausstellen sollte, hervorragenden Fahrern Bryan und David machten das Reisen erträglich. Schon stand Las Vegas auf dem Programm. Stundenlang säumte die staubtrockene, felsige Gebirgslandschaft des Wüstengebietes Nevada die schnurgeraden Highways. Diese Mischung aus karger Mondlandschaft und Westernkulisse ohne jegliche menschliche Ansammlung reichte bis an die ehemalige Goldgräberstadt Las Vegas heran.

 

Las Vegas, die Stadt, die niemals schläft.

 

Seit Jahrzehnten sammelt diese pulsierende Hochburg des Glücksspiels Superlative als das Maß aller Dinge. Jährlich 40 Millionen Besucher füllen neben allen anderen auch die 18 größten Hotels der Welt, die hier zu finden sind. Am eindrucksvollsten aber präsentiert sich die „Königin der Wüste“ nach Einbruch der Dunkelheit, denn in der trocken-heißen Neonmetropole gehen niemals die Lichter aus. In den Glücksspielpalästen rollen die Kugeln 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr. Das ohrenbetäubende Automatenklingeln hört nie auf. An der einige Kilometer langen Hauptverkehrsstraße, dem „Strip“, sind die gigantischen Luxusunterkünfte mit bis zu 10 000 Betten pro Themen-Hotel teils sogar über Rollwege miteinander verbunden. Alle aber beherbergen ebenerdig ein Spielkasino mit tausenden von einarmigen Banditen oder Rouletttischen. Draußen grüßt die Sphinx des „Luxor“ den Eiffelturm am „Paris“, eine rasante Achterbahnfahrt verbindet die Freiheitstatue des „New York“ mit dem „MGM“-Löwen. Gar eine Gondelfahrt ist am „Venetian“ möglich, während am „Treasure-Island“ jeden Abend eine Seeschlacht stattfindet. Allerdings scheint das „Mirage“ der Magier Siegfried und Roy etwas in die Jahre gekommen. Besonders elegant nehmen sich das „Ceasars Palace“ oder das „Wynn“ aus. Unsere Hotel „Excalibur“ war mit seinen gerade mal 4 000 Betten noch eines der kleineren Unterkünfte und hatte etwas von einem verspielten „Rapunzelschloss“. Entstanden ist die Stadtanlage mit dem Bau der Bahntrasse um 1900. Schließlich suchten die Bauarbeiter nach getaner Arbeit etwas Abwechslung und vergnügten sich an den ersten Geldautomaten. Münzen klimpern heute allerdings keine mehr in den Spielhöllen der Stadt. Auch hier hat der Fortschritt Einzug gehalten und es wird unter Nutzung der in den USA weit verbreiteten Kreditkarten der Spielleidenschaft gefrönt. Der Besuch einer abendlichen Show, die in fast allen Hotels geboten werden, ist schier ein Muss. Zudem lohnt sich eine Stippvisite in der Altstadt mit seiner legendären glasüberdachten Fremontstreet, wo allabendlich zur vollen Stunde ein Lichterspektakel präsentiert wird.

Für Abstand von dieser Reizüberflutung sorgte die Choreinladung zum „Day of German Unity“ in den voll besetzten Ballsaal eines Hotels. Der Honorarkonsul des Staates Nevada, Andreas Adrian, feierte mit geladenen Gästen den Tag der Freundschaft zwischen beiden Ländern. Nach dem Singen der Nationalhymnen und Aufmarsch einer Militärabordnung stellte der Chor unter der Leitung von Chordirektor Wolfgang Sieber sein Programm vor, das unter anderem bekannte deutsche Volkslieder der Romantik wie „Am Brunnen vor dem Tore“ oder der „Loreley“, aber auch Vorträge der Moderne beinhaltete. Mit einem gemeinsamen Büfett schloss der Abend.

 

Der Phönix-Club in Anaheim

 

Ein weiteres Konzert war im mit 1 100 Mitgliedern größten deutsch-amerikanischen Club „Phoenix“ in Anaheim bei Los Angeles angesagt. „Tritt ein, hier bist Du unter Freunden“ war über dem Eingangsportal der Festhalle zu lesen. Präsident Hans Holste und sein Stellvertreter Jürgen Picard begrüßten die Gäste. Erneut übernahm Georg Wolf, der für den im Frühjahr dieses Jahres überraschend verstorbenen Organisator der Chorreise Peter Jochen Degen eingesprungen war, die Führung durch den Abend. In gewohnt guter Qualität sangen die Männer der Chorvereinigung Lieder von der Liebe und vom Wein, aber auch das brasilianische „Ave Maria no morro“. Interessant waren die Gespräche mit Auswanderern, deren Biografien ganz unterschiedlich verlaufen sind. So gedenkt der 1969 übersiedelte Bremer Selfmademan Holste, der sein Geld im Baumwollhandel machte, wieder einen Wohnsitz in Deutschland zu nehmen, um künftig das Jahr hälftig in Kalifornien und der alten Heimat zu verbringen. Der Phoenix-Club habe große Probleme mit der Überalterung, räumte er ein. Die Auswanderergeneration sterbe langsam aus. Die Nachkommen hätten am Deutschtum kein großes Interesse mehr, schon gar nicht die Enkel. Die Finanzierung der riesigen Anlage des seit 52 Jahren bestehenden Clubs wird in erster Linie aus dem sich über sechs Wochenende hinziehenden „Oktoberfest“ rekrutiert, zu dem in jedem Jahr weit über 30 000 Besucher kommen. Ganz groß wird auch der Karneval gefeiert. „Schad ist, dass Zeit zum Heimgehn ist“, fanden dann aber alle gleichermaßen.

 

Der Hoover-Staudamm

 

Obwohl auch in Kalifornien mittlerweile Spätsommer ist, kratzte in der Sonne Las Vegas das Thermometer immer noch gnadenlos an der 40 Grad Celsius-Marke. Geregnet hat es seit April nicht mehr. Dieser wird erst wieder ab November erwartet. Doch wer versorgt die gigantischen Metropolen wie Los Angeles und das nimmermüde Las Vegas mit Wasser und Strom? Die Antwort lieferte ein Besuch am Hoover-Staudamm. Dieser wird vom „Lake Mead“ gespeist, der seinerseits vom „Colorado-River“ befüllt wird. Noch gibt es genügend Wasservorrat. Genau auf der Mitte der Brücke, die über den Staudamm und den Black Canyon führt, liegt die Grenze zwischen Nevada und Arizona. Die Anlage wird strengstens bewacht. Schließlich geht es um das unschätzbare Gut „Wasser“.

 

Los Angeles – kein roter Teppich in Hollywood

 

Eine mehrstündige Besichtigungsfahrt durch den immerzu durch Erdbeben gefährdeten „Moloch“ Los Angeles brachte uns diese Stadt auch geschichtlich um einiges näher. Hier das Regierungsviertel, dort die Kulturszene, dazu die wegen der Wolkenkratzer recht finsteren Geschäftsstraßen, durch die kein Sonnenstrahl fällt. Wir erfuhren viel über das tägliche Verkehrschaos, die Flugzeug-, Raumfahrt- und Filmindustrie, über die Erdölvorkommen und den Schnee in den umliegenden Bergen, auch dass die Stadtbevölkerung zur Hälfte von Mexikanern abstammt und Asiaten ein eigenes Viertel bewohnen. Elegant wurde es am Rodeo Drive in Beverly Hills, einer der teuersten Einkaufsstraßen der Welt. Einmal zur Oscar-Verleihung nach Hollywood? Leider wurde für uns der rote Teppich am Veranstaltungshaus in der Stadtmitte nicht ausgerollt. Allerdings gibt es auf dem „Walk of Fame“ noch einige Sterne zu vergeben. Mit dem Fotografieren des weltberühmten Schriftzuges „Hollywood“ auf dem nahen Bergrücken, der mit Villen bekannter Stars bebaut ist, verabschiedeten wir uns in Richtung Pasadena.

 

Pasadena, eine Partnerstadt von Ludwigshafen

 

Mit dieser Kleinstadt im Kreis Los Angeles unterhält Ludwigshafen seit Jahren eine Partnerschaft. Bürgermeister Bill Bogaard empfing die pfälzische Reisegruppe in seinem Amtssitz, der prächtigen Residenz „City Hall“. Die Universitätsstadt Pasadena gilt auch als Stadt der Rosen, die noch in voller Blüte standen. Chordirektor Wolfgang Sieber forderte auch hier im sich anschließenden Konzert bei seinen Sängern die bekannte Qualität ein.

 

Von San Diego nach Mexiko ist es nur eine halbe Stunde

 

In Richtung Süden, entlang der Küstenstraße, ist die um 1550 erstmals erwähnte drittgrößte Stadt Kaliforniens San Diego zu erreichen. Die Küstenmetropole hat eine wechselvolle Geschichte rund um Indianer, Missionare und Mexikaner. Heute liegen hier Kreuzfahrtschiffe auf ihrem Weg in die Karibik vor Anker und die Touristen wurden zur Haupteinnahmequelle. Wunderschöne Sandstrände und 90 Golfplätze geben Zeugnis von einem hohen Lebensstandart. Aber auch die Stationierung der US-Navy samt Flugzeugträgern macht einen wichtigen Wirtschaftsfaktor aus. Wunderschön der Balboa-Park mit seinen im mexikanischen Stil errichteten Gebäuden, dem sich ein weltbekannter Zoo anschließt.

 

Hier angesiedelt ist auch der deutsch-amerikanische Club „El Cajon“, der zu einem zünftigen Fest einlud. Die einheimischen Gäste des Abends feierten jedenfalls so, wie sie sich ein deutsches Oktoberfest vorstellen. Die Frauen, gleich welchen Alters, trugen Dirndl und Kränzchen auf dem Kopf, die Männer Lederhosen und urige Huhngebilde als Hutersatz. Dazu tanzten sie Schuhplattler. Das Essen gab es ausschließlich auf Wegwerfgeschirr einschließlich dem „Krug“ Bier im Pappbecher. Deutschland sei im zu eng geworden, sagte dazu der 78-jährige ehemalige Krupp-Maschinist Hans Klein, ein Mitglied des Vereins, der erst vor einem Jahr die alte Heimat besuchte. 1954 ist er ausgewandert. Er habe sein Glück in den USA gemacht. Nach 50-jähriger Berufstätigkeit beziehe er heute eine gute Rente, die ihm ein sorgenfreies Leben ermögliche. In einer halben Stunde sei er in Mexiko oder hoch auf den Bergen im tiefsten Schnee. Und dann das ganze Jahr über Sonne. Was wolle er mehr. Sein Club kämpfe allerdings ums Überleben. „Alles alte Leute“. Eine Chorsängerin, Jahrgang 1946, ging mit 18 Jahren in die USA. Sie lebt dort ein deutsches Leben mit Essen nach Rezepten aus der Heimat, hat nur deutsche Freunde und singt im deutschen Clubchor. Unverändert plagt sie das Heimweh, gesteht sie mit Tränen in den Augen und wollte am liebsten mitfahren.

 

San Francisco, die schönste Stadt der Welt

 

Vorbei an dank Tropfbewässerung fruchtbaren Ebenen mit Baumwollfeldern, Weinbergen, Obstanlagen voller Orangen und Mandarinen, dazu riesige Farmen mit jeweils geschätzten 10 000 Tieren erreichte die Reisegruppe San Francisco: Golden Gate-Brücke, die Cable Car-Bahn und das ehemalige ausbruchsichere Hochsicherheitsgefängnis Alcatraz fallen einem spontan zu dieser Stadt ein. Doch das tolerante San Francisco hat unglaublich mehr zu bieten. Direkt am maximal acht Grad warmen Pazifischen Ozean gelegen, erfreut sich die Stadt ganzjährig eines gemäßigten Klimas. Es bläst ständig ein tüchtiger Wind. Unser Quartier, günstig nahe dem umtriebigen Hafenviertel „Fishermans Wharf“ gelegen, ermöglichte den mit einer guten Kondition ausgestatteten Mitreisenden eine Erkundung auf eigene Faust. Auf sieben Hügeln erbaut, geht es ständig steil bergauf und wieder bergab. Bis zum höchsten Punkt sind knapp 1 000 Höhenmeter zu überwinden. Dafür ist die Aussicht von dort aus grandios. Auch der Genuss einer Fischsuppe aus einer Sauerteigbrotkugel am „Pier 39“ mit Blick auf die doch unerwartet nahe gelegene Insel samt Alcatraz-Gefängnis und die doppelstöckige Oakland-Baybrücke darf nicht fehlen. Schnell war allen klar: San Francisco ist ein Traum.

Auf Einladung des „Liederkranz Männerchores“ erfreuten die Pfälzer Sänger mit einem sonntäglichen Konzert in der St. Matthews Lutheran Church. „So etwas Schönes habe ich in meinem ganzen Leben noch nie gehört“, begeisterte sich die Ärztin Andrea Anderson, eine echte Kieler Sprotte, die alle ihr bekannten Lieder mitsang und die Füße beim Marsch „Frei weg“ oder den „Blankenstein-Husaren“ kaum stillhalten konnte. Der Abschied nach dem anschließenden gemütlichen Zusammensein fiel allen sichtlich schwer.

Ein waschechter munterer Kaiserslauterer Bub, vor 30 Jahren ausgewandert, übernahm dann die fünfstündige Busführung durch die Stadt und erzählte viel von der von Mexiko ausgegangenen spanischen Missionierung, vom Goldrausch im 19. Jahrhundert, den mittlerweile astronomisch teuren viktorianischen Holzhäusern, dem großen Erdbeben im Jahr 1906 bis hin zur Flower Power-Bewegung. Als Krönung gab es eine traumhafte Überfahrt über die in den 30er Jahren errichtete Golden Gate-Brücke am Eingang der Bucht und einer Fahrt mit der legendären Cable Car, die immer noch sowohl gezogen wie auch an der Endstation auf einem Holzteller in die Ursprungsrichtung gedreht wird. Mit einem gesungenen „Heilig, heilig“ bedankten sich die Chorsänger in der neu errichteten, wunderschönen St. Marys-Cathedral für eine herrliche Zeit im durchgängig sonnigen Kalifornien.

 

Der Staat Kalifornien ist ein Einwanderungsland, vorwiegend geprägt von mexikanischen und asiatischen Einflüssen, die heute noch das Servicepersonal stellen und das auch von wohnsitzlosen Bürgern mit einem Leben am Rande der Gesellschaft nicht verschont wird. An allen Tagen der Woche, also auch am Sonntag, fahren unglaublich riesige Trucks und gigantische Wohnmobile auf den Highways. Auffällig auch, dass kleine Personenwagen in diesem Landstrich offensichtlich nicht bekannt sind. Kein Wunder bei immer noch moderaten Benzinpreisen von etwa einem Dollar oder umgerechnet 80 Cent pro Liter Sprit. Dagegen nehmen sich Aufwendungen für Lebensmittel und Mieten recht teuer aus. Gedanken zur Energieeinsparung oder ein generelles Umweltbewusstsein hingegen scheinen unverändert nicht sonderlich ausgeprägt.

 

Viel zu schnell waren die Tage vergangen. Ein überaus sanfter Rückflug mit einem Airbus 380 brachte uns auf den Boden der Wirklichkeit zurück. Dass das angebotene Reise-Gesamtpaket zu einer runden Sache wurde, hat der vereinte Pfälzer Männerchor in erster Linie der hervorragenden Organisation von Martha-Reisen, allen voran Martha Müller-Degen nebst Sohn Torben und dem kurzfristig eingesprungenen Familienfreund Georg Wolf aus dem Westerwald -selbst Leiter von neun Chören und zwei Orchestern und dazu reichlich US-Erfahrung- zu verdanken.

Nach einem freundschaftlichen Versprechen, dass sich alle spätestens am 4. November im Dom zu Speyer anlässlich eines gemeinsamen Chorauftritts wiederzusehen, trennten sich einstweilen wieder die Wege. Bei Sichtung der ersten Häuser ihres Heimatdorfes stimmten die Sänger dann aber voller Inbrunst die Nationalhymne „Wie lieb‘ ich dich, mein Hermersberg, du Dörfchen auf der Höh' “ an. Kalifornien war wunderbar. Dort leben käme allerdings nicht in Frage, wo es doch in der Pfalz so schön ist. So lautete dann die einhellige Meinung.

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